Eismayer

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Eismayer, A 2022, 87 Min., Regie: David Wagner, mit Gerhard Liebmann, Luka Dimić, Julia Koschitz, Anton Noori, Weltvertrieb: Filmladen


Als ich 2001 Rekrut beim österreichischen Bundesheer war, habe ich zum ersten Mal die wilden Geschichten über Vizeleutnant Charles Eismayer gehört. Auch ich habe mich vor „dem härtesten Schleifer beim österreichischen Bundesheer“ gefürchtet, ohne ihm je begegnet zu sein. Doch die Erzählungen über ihn ließen mich nie ganz los. 15 Jahre später, während meines Regiestudiums in Hamburg, habe ich recherchiert, um nach der Geschichte dieser berühmt-berüchtigten Legende zu graben. Doch was ich gefunden habe, war zu meinem Erstaunen eine Liebesgeschichte, die mich zutiefst berührt hat: Zwei Soldaten finden zueinander, in einer Welt, in der alles dagegen spricht. Die wahre Geschichte von Charles Eismayer und wie er durch Mario Falak zu sich selbst findet, ist eine Geschichte, wie sie nur das Leben schreiben kann. Berührend, schmerzhaft, kraftvoll, aber auch skurril und komisch in unerwarteten Momenten.

Das Militär als Institution und als Lebensumfeld, toxische Männlichkeit und das sogenannte „Coming-Out“ sind für sich genommen spannende Themenfelder. Doch vor allem geht es in dieser Geschichte um einen Menschen, der Angst davor hat, sein wahres Ich zu zeigen. Der Film handelt von einem Mann, der nur zu seinem Glück finden kann, wenn er diese Angst überwindet und ein verstaubtes Männerbild hinter sich lässt, das längst ausgedient haben sollte.

Im Zuge meiner Recherche zu den Arbeiten am Drehbuch habe ich Charles Eismayer und Mario Falak persönlich kennen lernen dürfen. Ich habe viele Stunden mit den beiden verbracht und dabei vor allem zugehört und Fragen gestellt. Sogar eine Kamera durfte ich mitlaufen lassen. Je besser ich Charles und Mario kennen lernte und je mehr sie sich geöffnet haben, desto dringender wollte ich diesen Film drehen. Ich habe aber nicht nur die beiden Vorbilder für meine Protagonisten interviewt. Genauso wichtig war mir die andere Seite: Ich habe mit zahlreichen Ex-Rekruten dutzende Stunden Interviews geführt. Sie alle haben „den Eismayer“ selbst erlebt und haben auch seine Schattenseiten beleuchtet. Dabei war es sehr spannend, zu erforschen, wie sehr dieser Mensch polarisiert. Manche waren geradezu traumatisiert und hatten noch Jahrzehnte nach ihren Erlebnissen das Bedürfnis, ihrer Angst oder Wut Ausdruck zu verleihen. Andere wiederum feierten ihn als einen Helden und die Zeit beim Bundesheer als „die beste Zeit ihres Lebens“.

Aber dass Charles Eismayer schwul ist, haben die wenigsten gewusst, oder hätten auch nur ansatzweise daran gedacht. Es geht also um das Bild des Mannes und seine sexuelle Orientierung, die unmittelbar damit verknüpft zu sein scheint. Ein „echter Mann“ hat eine Frau. Ein „echter Mann“ ist ein harter Kerl, der rumbrüllt und andere zur Sau macht. Alle diese Punkte hat Charles Eismayer strategisch präzise erfüllt, um nicht aufzufliegen.

Mit diesem Charakter als Grundlage schrieb ich im Rahmen der Drehbuchwerkstatt München/Zürich/Graz mein erstes Drehbuch. Sehr schnell wurde mir von mehreren Seiten Gerhard Liebmann für die Hauptrolle vorgeschlagen. Obwohl ich ihn zuvor nicht kannte, war mir gleich nach unserem ersten Gespräch klar, dass er der absolut beste Schauspieler für diese Rolle sein würde. Kurz danach besetzte ich Luka Dimić als Mario Falak und war von der Kombination dieser beiden Männer überzeugt.

Gerade wenn Klischees aufgebrochen werden sollen, ist es notwendig, dass man seine Figuren neu denkt und ernst nimmt. Viel drückt sich da in den Dialogen aus, die mir bei der Schauspielführung sehr wichtig sind. Die Sprache, die beim Bundesheer gesprochen wird, ist sehr grob, technisch und manchmal unfreiwillig komisch. Alle Darsteller in meinem Film haben diese Sprache und eine kurze militärische Ausbildung als Vorbereitung für den Film kosten dürfen/müssen. So zu sprechen, Befehle erteilen, Befehle empfangen, das macht was mit einem.

Die Bildgestaltung für diesen Film wurde stark durch das Szenenbild beeinflusst. Da Eismayer zum Großteil an Originalschauplätzen beim Militär spielt, war die Vorgabe klar: Militärische Genauigkeit. Stringenz und Wiederholung. Für diese Aufgabe war mein Kameramann Serafin Spitzer genau der Richtige. Ein pazifistischer Künstler und Filmakademie Absolvent, der mit Disziplin und Genauigkeit ans Werk geht. Wir wollten jedoch keinen „coolen Look“ haben, der an die Ästhetik von amerikanischen Kriegs- oder Polizeifilmen anknüpfen würde. Unser Ziel war das Gegenteil, nämlich stets das Innenleben der Figuren abzubilden, sowie den Alltag beim Bundesheer authentisch darzustellen. Beim Bundesheer werden so viele Geschichten erzählt und überhöht, dass wir uns davon nicht bildgestalterisch mitreißen lassen wollten. Ich wollte das Wahrhaftige an der Geschichte nicht verspielen. Es ist mir auch ein Anliegen meinen kleinen Beitrag zum Thema Männlichkeitsbilder – in diesem extremen Umfeld – zu leisten. Doch vor allem möchte ich dieser ungewöhnlichen Liebesgeschichte gerecht werden.

David Wagner Mai 2022