Mein bester Freund

Aus Wiki des SchwuR Uni Bielefeld
Version vom 3. Mai 2019, 14:28 Uhr von Harald Tiemann (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Mein bester Freund, Argentinien 2018, 90 Min., Regie: Martín Deus, mit Angelo Mutti Spinetta, Lautaro Rodríguez

Mein-bester-freund-film-500.jpg

Den sensiblen Streber Lorenzo und den wilden Abenteurer Caíto verbindet wenig, und doch entwickelt sich eine innige Freundschaft. Oder sogar mehr? Martín Deus deutet in "Mein bester Freund" viel an – und das ist die Stärke seines Films.

Nur ein Jahr trennt Lorenzo und Caíto, doch die zwei Teenager trennen Welten. Caíto mit seinen Tattoos, dem Ohrring, dem frechen Lächeln, und der ein Jahr jüngere Lorenzo, der sensible, reife Bücherwurm mit den weichen Gesichtszügen, der beim Fußball immer als letztes in die Mannschaft gewählt wird.

Caítos Vater, ein alter Freund von Lorenzos Vater, hatte einen Unfall. Deshalb holt die Familie ihn kurzerhand aus Buenos Aires zu sich in die patagonische Provinz. Von Anfang an herrscht ein gewisses Misstrauen, irgendetwas scheint da zu schwelen. "Sei ein wenig wachsam", sagt Lorenzos Vater Andrés zu ihm, und seine Mutter Camila wiederholt fast gebetsmühlenartig den Satz, Caíto sei kein schlechter Mensch, so als könnte sie sich dann davon überzeugen.

Caíto hat es nicht leicht in einer Familie, die feste Regeln und Rituale pflegt, und sich um die Kinder kümmert. Gleich am ersten Abend betrinkt er sich in einer schummrigen Bar, muss daheim kotzen, Lorenzo kümmert sich liebevoll um ihn. Die zwei Teenager sind wie zwei Puzzleteile – ganz unterschiedlich geformt, und doch passen sie zueinander. Immer wieder muss Lorenzo Caíto vor seinen Eltern verteidigen.

Dabei hat Lorenzo seine ganz eigenen Sorgen. Er schläft mit einem Mädchen, das einen Freund hat, und eigentlich denkt er doch eher an die nackten Hintern der Jungs in der Umkleide. All das ist nur angedeutet, und Regisseur Martín Deus versteht es, so subtil wie möglich Einblicke in die Gedankenwelt des Jungen zu ermöglichen.

Trotz all der Differenzen wird ihre Freundschaft enger. Eine Freundschaft, die beide reifer und erwachsener werden lässt. Caíto spricht mit Lorenzo, zum ersten Mal, über den wahren Grund, dass er nicht mehr bei seinem Vater lebt. Er vertraut seinem neuen Freund Geheimnisse an. Sie sind unterwegs in der weiten Natur Patagoniens, sie kommen sich im Sonnenuntergang am Strand näher, irgendwie, ganz sachte, unschuldig, und doch voller Gefühl.

Überhaupt sind es die dunklen Momente, in denen ihre Beziehung wächst: Am Strand, wenn die untergehende Sonne die Szenerie gelb und warm färbt, in Lorenzos fahl-blauem nächtlichem Kinderzimmer oder in einer schummrigen, schattigen Kneipe, in der rote Lampen dominieren.

Die beiden Schauspieler Angelo Mutti Spinetta (Lorenzo) und Lautaro Rodríguez (Caíto) wissen diese Momente zu nutzen. Beide ergänzen sich wunderbar, mit Angelo Mutti Spinetta hat Regisseur Martín Deus eine Idealbesetzung für den sanften, vernünftigen Lorenzo gefunden, der immer zu große Pullis trägt, im Laufe des Films eine starke Entwicklung durchmacht und mit Gefühlen konfrontiert wird, die er nicht einordnen kann und will. Mariana Anghileri (Camila) und Guillermo Pfening (Andrés) als Eltern sind zudem nachvollziehbare, ernstzunehmende Nebenfiguren, die ihre ganz eigenen Geschichten erzählen.

"Mein bester Freund" ist eine berührende, authentische Parabel über eine Freundschaft, die Vorurteile überwindet, und übers Erwachsenwerden, das so viel Verwirrung mit sich bringt. Über Familie, Zusammenhalt und eine Liebe, die dieses Wort (noch) nicht kennt.

Fabian Schäfer in queer.de, 02.12.2018